Gender Mainstreaming im heutigen Breitensport

Was genau bedeutet eigentlich Gender Mainstreaming, wenn man es konsequent durchsetzte und in allen Gesellschaftsbereichen verankerte? Hier ein Beispiel aus dem Breitensport. Von Ewald Knülle

Liebe Leser_Innen der Pickelhaube,


vielen Menschen ist nicht bewußt, daß patriarchalische Herrschaftsformen und heteronormativer Zwang auf mitunter sehr subtile Weise in unserer Gesellschaft verankert werden. Die Folgen sind Kapitalismus, Faschismus und Krieg. Als überzeugte Feminist_In sehe ich es daher als Lebensaufgabe, meine Mitbürger_Innen für die Allgegenwärtigkeit dieser perfiden Manipulationsmechanismen zu sensibilisieren. Jüngst schrieb ich also einen Brief an den Sportverein „Bonn Gamecocks“, machte auf Problembereiche aufmerksam und unterbreitete einige Vorschläge, das Gender Mainstreaming in Trainings- und Spielbetrieb zu implemetieren. Aus unerfindlichen Gründen erhielt ich bisher keine Antwort, auch ist keine Umsetzung meiner Vorschläge erfolgt. Den Brief jedoch möchte ich Ihnen, liebe Leser_Innen, nicht vorenthalten, zeigt er doch, was Gender Mainstreaming, einmal konsequent zu Ende gedacht, für unsere Gesellschaft bedeuten kann.

Ihr

Ewald Knülle (23. 07. 2010)

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Liebe Spieler_Innen des Vereins „Bonn Gamecocks“,

wie die Mitglieder vieler andere Footballvereine auch seid Ihr Teil einer Gemeinschaft, die – ob bewußt oder unbewußt – zur Erzeugung und Reproduktion patriarchalischer Herrschaftsformen in unserem Land beiträgt. Dabei hat in der heutigen Zeit dank des aufopferungsvollen Einsatzes tapferer Feminist_Innen auch die Bundesregierung erkannt, daß das kapitalistische Patriarchat (als weltweit vorherrschendes System der Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen und Mädchen aller Altersstufen, Körperlichkeiten, Klassen, sexuellen Orientierungen, Hautfarben und Religionen auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens) nicht mehr zeitgemäß ist. Das besonders von der ehemaligen Familienministerin Ursula von der Leyen vertretene Konzept des Gender Mainstreaming sucht die Manifestationen patriarchalisch-chauvinistischen Dominanzstrebens zu beseitigen. Dies soll auch im Bereich „Football“ geschehen, der vorliegende Beitrag entwirft ein Maßnahmenpaket, mittels dessen sich der Verein „Bonn Gamecocks“ seiner inhärenten Elemente maskuliner Gewaltherrschaft entledigen kann.

Bekanntlich ist die Geschlechteridentität nicht angeboren, sondern anerzogen (Judith Butler). Zur Verbreitung veralteter Rollenbilder von Mann und Frau tragen eben auch die Gamecocks bei – dies allein schon durch ihren Namen, mit “Kampfhähne” zu übersetzen. Zunächst sollte hier angesetzt werden; der Name des Vereins ist umgehend in wahlweise “Gamefowl” oder “Battle-Poultry” (Übersetzung etwa: “Kampfgeflügel”) zu ändern. Die neuen Namen entsprechen dem Konzept des Vereines wie des Gender Mainstreaming, da sie die gewünschte Konnotation von wehrhaftem Federvieh beinhalten sowie geschlechtsneutral sind (und damit frei von biologistisch begründeter Diskriminierung von Frauen und Mädchen).

Doch die Namensänderung kann nur der Anfang sein. Weitere Reformen sind dringend vonnöten: Schon allein das Pennenfelder Spielfeld veranschaulicht den umfassenden Herrschaftsanspruch des Patriarchats und bekräftigt in bildhafter Semantik die uneingeschränkte sexuelle Verfügungsgewalt des Mannes über die Frau. Eckpunkte der räumlichen Einteilung des Spielfeldes sind die beiden Tore, deren Pfosten sich als phallisch-erektile Monumente maskuliner Potenz in den Himmel recken. Mit bedeutungsschwerer Bildhaftigkeit sind diese Pfosten in den Rasen (Mutter Erde – das Weibliche) hineingerammt: Die Penetration des weiblichen Körpers, also die Unterwerfung der Frau unter den Willen des Mannes mittels sexueller Gewalt, ist hier in symbolischer Form dargestellt (das Betonfundament der Pfosten verewigt den Zustand der Penetration!). Die Verdinglichung ihrer Sexualität und die ihre Handlungsautonomie beschränkende Geschlechterrolle lassen der Frau keine Möglichkeit: Sobald der Rasen beginnt, aus seiner ihm aufgezwungenen Rolle auszubrechen und, ähnlich wie die Torstangen-Phalloi, gen Himmel zu wachsen, erscheint als lokaler Vertreter maskuliner Dominanz der Platzwart und kürzt in einem ritualähnlichen Akt symbolischer Beschneidung (!) das Gras auf die vermeintlich angemessene Länge zurück. Schlußendlich manifestiert sich der Gefängnischarakter der weiblichen Geschlechterrolle in dem Gittermuster, welches als Akt männlichen Besitz- und Ordnungsanspruchs auf dem Rasen aufgebracht wird.

Was wird dem ahnunglosen Betrachter mit diesem System aus geschickt vernetzten Zeichen also suggeriert? Die Botschaft könnte deutlicher nicht sein: Sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen (die Penetration, das Beschneiden und willkürliche Einteilen des Rasens), ausgeübt durch den Mann (die Torpfosten, der Platzwart), muß zwangsläufig als grundlegender und ewiger Bestandteil unserer Gesellschaftsordnung (welche symbolisiert wird durch die räumliche Ordnung des Spielfeldes) erscheinen. Diese Haltung wird vom Betrachter unbewußt übernommen. Somit wird die Perpetuierung patriarchalischer Herrschaftsformen in allen Gesellschaftsbereichen sichergestellt.

Doch nicht nur das Spielfeld als physische Entität, auch die darauf ausgeübten Handlungen sichern die gesellschaftliche Akzeptanz männlich-chauvinistischer Dominanz. Äußerst bedeutungsschwer ist hier etwa der Akt des “Touchdown”: Im Rahmen einer symbolischen Penetration und Inbesitznahme des weiblichen Körpers wird der Ball (der die männliche Eichel darstellt) in die gegnerische Endzone, also den weiblichen Körper, getragen, und das, wenn nötig, gewaltsam, gegen jeden Widerstand. Das Ausüben sexueller Gewalt erscheint also als wünschenswert, denn sie bringt 6 Punkte ein und damit die Chance auf Sieg und gesellschaftliche Anerkennung in der Diktatur des Patriarchats. Welch Zynismus, daß ein erfolgreicher Touchdown gleich von einer “2-Point-Conversion” gefolgt werden kann: Hier suggeriert man(n) die erneute Verfügbarkeit des weiblichen Körpers selbst nach erfolgreich aufgezwungener Erstbesamung, frei nach dem Willen des Mannes, der die Frau der Herrschaft über den eigenen Körper beraubt. Der Akt des “Touchdown” verherrlicht daher in symbolischer Form sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Allein die beiden Bestandteile der Begriffsbezeichnung sind eine Herabwürdigung der Frau zur willfährigen Liebesdirne: Die sich im körperlichen Zugriff (“touch”) manifestierende Verfügungsgewalt des Mannes auf die weiblichen Geschlechtsorgane (den Bereich “down”) sichert die Position der Frau (nämlich “down”, also am untersten Ende der Hierarchie!) in Ehebett und kapitalistisch-patriarchalischer Gesellschaft. Ebenfalls Ausdruck maskulinen Überlegenheitsdenkens ist das “Field Goal”, welches als rituelle Überhöhung männlicher Geschlechtsorgane zu werten ist: Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen Phalloi (Torstangen) und Eichel (Ball).

Angesichts solch offenkundiger Mißstände sollte eine sofortige Überarbeitung der Football-Regeln nach Maßgabe des Gender Mainstreaming erfolgen. Dringend erforderlich ist zudem die Einführung einer Gleichstellungsbeaftragten in jeden Verein (der Begriff “Mannschaft” wird hier wegen seiner offenkundig sexistischen Konnotation vermieden) sowie die Schaffung einer Quotenregelung: Mindestens 50% der Spieler_Innen haben weiblich zu sein. Dabei sollen Frauen nicht nur auf die hinteren Positionen abgeschoben werden, sondern durchaus auch zu je mindestens 50% in der Offense- und Defense-Line vertreten sein. Im Gegenzug wird auch für die Cheerleader_Innen eine 50%-Regelung eingeführt.

Anlaß zu Reformen bietet auch das Erscheinungsbild der Spieler_Innen. Gehüllt sind sie in eine Rüstung, welche gezielt die Schulterpartie betont, was in Verbindung mit der engen Hose das Bild einer schmalen Hüfte und eines V-förmigen Oberkörpers begünstigt. Zudem wird mit einem unnötig großen Suspensorium ein gewaltiges Gemächt suggeriert. Den Helm schließlich – in seiner Form der männlichen Eichel nachempfunden – vervollständigt ein Gitter, welches den Spieler_Innen einen überzogen maskulin ausgeprägten Unterkiefer nahezu neolithischen Ausmaßes zu verleihen scheint. Es ist offenkundig: In der Erscheinung der Spieler_Innen verdichtet sich das Stereotyp „Mann“ als verabsolutiertes Idealbild, als stolze, herrische Krone der Schöpfung. Nur das Männliche ist stark, agiert, gestaltet, entscheidet. Das Weibliche kann da nur schwaches, passives, bestenfalls reagierendes Anhängsel sein, gewissermaßen ein menschliches Defektivum.

Um dem entgegenzusteuern und im Sinne des Gender Mainstreaming für eine wirkliche Gleichberechtigung der Geschlechter auch im Football zu sorgen, sind an der unsäglich chauvinistischen Aufmachung der Spieler_Innen gewisse Modifikationen vorzunehmen. Natürlich soll der Schutz vor Verletzungen darunter nicht leiden müssen. Denkbar wäre ein stärkeres Auspolstern der Hüftpartie sowie das Ersetzen der Beinbekleidung durch eine Pluderhose oder einen Faltenrock. Die deutlich symbolträchtige Erscheinug des Helmes könnte in ihrer schädigenden Wirkung etwa durch Umgestaltung des Helmgitters und Aufsetzen eines farbigen Federbusches abgemildert werden. Eine weitere Möglichkeit wäre das Einführen einer Federboa als obligatorischer Teil der Spieler_Innenausrüstung. Dies wäre wohl auch hilfreich, die bisher eher latent vorhandenen Elemente der Homoerotik zu stärken, was aus Sicht des Gender Mainstreaming nur wünschenswert ist, schließlich gilt es, der Tyrannei der gesellschaftlich aufoktroyierten Heterosexualität zu wehren.

Doch nicht nur das Aussehen, auch das Auftreten der Spieler_Innen hat sich Änderungen zu unterziehen. Ein von Aggressivität und maskulin-chauvinistischer Kraftmeierei geprägtes männliches Selbstbild manifestiert sich unter anderem auch im von vielen Spieler_Innen praktizierten Vorfußlauf mit Oberkörpervorlage, ausgeprägtem Kniehub und kräftigem Armzug. Um vor den Zuschauern (unter denen sich ja auch kleine Kinder mit noch nicht aufgezwungener Geschlechtsidentität befinden) keine archaisch anmutenden Rollenbilder zu propagieren, wäre es wünschenswert, einzelne weniger überzogen maskuline Elemente in den Laufstil der Spieler_Innen einfließen zu lassen, so etwa das Abspreizen der Hände oder eine betont ästhetische Hüftrotation. Anzustreben wäre hier eine zusätzliche wöchentliche Trainingseinheit, in der gezielt Bewegungselemente aus Ballett, Travestiekunst und rhythmischer Sportgymnastik vermittelt werden.

Die kurzfristige Verwirklichung dieser maßvollen Forderungen sollte dem Verein „Bonn Gamecocks“ und seinen Spieler_Innen keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten. Helft mit, überkommene Gestrigkeiten wie Zwangsheterosexualität und Patriarchat – und damit Kapitalismus, Faschismus, Unterdrückung, Kinderarmut und Krieg – in den Köpfen unserer Jugend gar nicht erst entstehen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Knülle
 

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Bild: Wikimedia Commons, Urheber: ParaDox, URL:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:A_Yin-Yang-Yuan_TranscendGender-Symbol_transparent-dark.png

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Eine Antwort zu Gender Mainstreaming im heutigen Breitensport

  1. Name schreibt:

    Lange nicht mehr so gelacht!

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